Heute entschied ich mich, nach einem ausgedehnten Mutter- Tochter Tag in 7 Zentimeter Absätzen, dann doch für den Abend vor dem Fernseher daheim.
Zu Beginn mäanderte ich noch voller Hoffnung durchs Programm und fand mich bald in einer „Sechzigerjahre“ Dokumentation über das alltägliche Leben der Bevölkerung und deren witzige Schattenseiten wieder.
So wurden in den „Sechzigerjahren“ Großraumbüros mit Ecken ausgestattet, welche einen kleinen runden Spiegel und eine Ablage unterhalb des kleinen runden Spiegels beinhalteten. Diese sollten den jungen Damen im Büro die Möglichkeit geben, sich bei renovierungsbedürftiger Gesichtsbemalung kurz zurückzuziehen. Dies geschah wohl mit der Absicht, das Antlitz danach in neuem Glanze zu präsentieren. Das sie eine Auffrischung nötig hatte, erkannte die Frau an den abschätzigen Blicken der Männer.Ein Mann in der Dokumentation betonte noch, dass die Frauen vorwiegend aus ästhetischen Gründen geduldet wurden.
Nach zwanzig Minuten war dann aber auch diese Sendung vorbei und ich drückte mehrfach auf das kleine Plus bei „Pr“ und dann noch ein paar mal das Minus.
Ein großer Sender der hauptsächlich seichte Unterhaltung bot, lieferte mir ausreichend Schmalziges.
Ein kleiner Punk trat hinter dem gelben Stern an der Rückwand der Bühne hervor. Er hatte wohl schon einiges erlebt und so wurden zur Untermalung seiner prekären Lage einige Szenen eingeblendet, welche ihn in dreckigen Ecken irgendwelcher Parks zeigten.
Er erzählte von seinem Leben auf der Straße und von einem missglückten Selbstmordversuch. Seine großen braunen Augen wirkten wenig drogengeschädigt und auch die Haare sahen merkwürdig gut gefärbt aus. Er erwähnte seine „Mama“ und dass er sie über alles lieben würde. So weit, so gut.
Das Publikum zeigte sich skeptisch und betrachtete den vermeintlich Arbeitslosen aus zusammengekniffenen Augenschlitzen. Da wurde das gesamte Spektrum des deutschen Proletenadels eingeblendet. Von Badelatschenmannie über Friseurgabi bis zur kleinen Pressilla-Schantall.
Nachdem nun eines der Jurymitglieder eins, zwei überflüssig abschätzige Fragen gestellt hatte, die ohne Widerspruch beantwortet wurden, durfte der kleine Punk aus der Schweiz loslegen. Ein Stück am Klavier, selbst komponiert.
Das Stück war kaum beendet, da standen schon die ersten wild klatschenden deutschen Bürger in ihren Rängen.
Standing ovations sollten eigentlich nicht so inflationär eingesetzt werden, wie diese Sendung es vermittelt, dachte ich mir und drückte drei mal auf Plus.
Ein Sondereinsatzkommando stürmt ein Einfamilienhaus, Werbung, schlechte Komiker stehen auf Bühnen und berichten vom letzen Arztbesuch.
Das war auch der Zeitpunkt an dem ich mir dachte: „Du solltest mal wieder was kreatives machen!“.