Jeder kennt es, jeder ist sagenhaft genervt. Man schlendert an einem schön verregneten Mittwoch Nachmittag gegen 16 Uhr die, mit Baustellen zugepflasterte Marienburger Strasse entlang und wird immer wieder von langsamen und plötzlich stoppenden Gespannen, bestehend aus einer Mutter, einem Kinderwagen mit darin befindlichen Säugling oder Kleinkind und eventuell noch einigen mitgeführten, trantütigen Kindergartenkindern bei der Ausübung des Schlenderns jäh unterbrochen. Nicht selten drängelt man sich, abschätzig mit der Zunge schnalzend daran vorbei und ist froh, wenn der Tross in der Ferne immer kleiner wird.
Ich muss zugeben, vor der Zeit als Mutter ebenso gehandelt und mich dabei im Recht und vor allem auf der richtigen Seite gedacht zu haben. Heute möchte ich nicht mehr an meine arroganten und geringschätzigen Gedanken denken. Ich schäme mich dafür!
Jeder wird sich nun fragen :“warum denn nur, sie hat doch recht!?“
Ich möchte es erklären. Anfänglich waren die Spaziergänge mit Kind eine Art Programmpunkt, welcher immer gern auch in Gesellschaft ungezwungen allnachmittäglich stattfand und keine negativen oder gar verzweifelten Züge trug. Man verabredete sich mit einer Bekannten und lief fröhlich schnatternd vom Kollwitzplatz über die Danziger Strasse bin hin zum Helmi und wieder zurück. Auf dem Weg wurde ein Latte nach dem anderen gekippt, die neuesten Babyfeatures wurden ausgewertet und must- haves für den Kinderwagen einer Qualitätsprüfung unterzogen. Irgendwann machte es komische Geräusche aus dem Teutonia, Bugaboo oder Emaljunga und man war erst verwirrt, bis einem einfiel, dass da ja das Kind wohnt, welches bestimmt Hunger hat. Also, rein ins Café und ausgepackt. Babys, Brüste und so weiter.
Hemmungen gab es inzwischen keine mehr. Der junge Mann am Nachbartisch versank hinter seinem MacBook und man nahm schnappende Atemlaute wahr. Fünf stillende Mütter sind nicht jedermanns Sache…
So, nun war das bis vor kurzem alltäglich und auch gut so. Schließlich ist man ja junge Mutter und hat genug für die Gesellschaft getan. Nun begab es sich, dass mein Sohn sich beim umherspazieren oder bei was weiß ich, irgendeinen scheiß Virus eingefangen hat, welcher zu Husten und Niesen und krampfhaften zusammenziehen des ganzen kleinen Körpers, bis hin zum Erbrechen führte. Spaziergänge bekamen nun den Sinn, das Kind feuchter Luft auszusetzen, damit es den Schleim loswerden und als Konzequenz daraus, alle besser schlafen können. Das absolut schlimmste was einer Mutter passieren kann, ist ein krankes Kind. Das weiß ich jetzt. Mal abgesehen vom Leid des Kindes ist man selbst auch irgendwie sehr daneben in dieser Zeit. Schlafen, essen, saubere Sachen oder die Dusche? Dinge die man kennt aber schon lange nicht mehr aus der Nähe gesehen hat. Eine einzigartige Survivalaktivität für (haha) die ganze Familie…
So, nun zu den Müttern die sich in den Weg schieben, Gehwege zuparken, schwatzend an der engsten stelle im Supermark stehen. Eine Packung Sahne gefühlte 20 Minuten betrachten, um sie dann verwirrt zurück ins Hundefutterregal zu stellen.
Im Prinzip ist das eine Art „Energie-spar-modus“ oder „Standby“, welches automatisch nach einer bestimmten Zeit ohne Nutzung angeworfen wird.
Sie sind einfach nicht mehr in der Lage ihre Außenwelt wahrzunehmen, sie tragen noch den Pyjama unter ihrem Mantel und können sich nicht erinnern, wann sie das letzte mal geduscht haben. Ihnen klebt Babyrotze im Haar und ihre Hauptnahrungsquelle ist Lieferheld. Das fühlt sich so an, wie eine Szene aus Matrix in der die Kugeln an einem vorbeifliegen und man gaaaaanz langsame Bewegungen macht. Also bitte liebe Mitmenschen, nicht böse schnalzen, einfach nett lächeln und ein bisschen schubsen aber nur ganz lieb.