Die Lehre vom Wickeln des Tuches

Ist man eine gute Mutter, so wickelt man sein Kind möglichst aufwändig irgendwie an seinem Körper fest, habe ich gelernt. Wer nicht schleppt ist eine Rabenmutter, so lautet die einhellige Meinung der Prenzlauer Berger Mütter. Was das für die einzelne Mutter, das Individuum sozusagen, für schwerwiegende Folgen haben kann, interessiert dabei keinen, so scheint es.
Um nun dem ungeschriebenen Gesetz der Straße (Kollwitzstraße) Folge zu leisten, bestellte ich schon weit vor der Geburt des Kindes ein Tragetuch. Mokkabraun dachte ich… da dachte ich noch Kinderkacke ist braun. Ist sie aber nicht, nur so nebenbei, sieht aus wie Kürbissuppe…jedenfalls Mokkabraun. Super Sache, vier Meter gutes Gewissen.
Als das Kind nun da war, konnte ich es kaum erwarten das kleine unschuldige Bündel Leben, bei 40°C Außentemperatur an mich zu binden (das Bild ergab sich so).
Also, zwei Wochen nach der Geburt musste der kleine ran. Klappte auch ganz gut, die ersten drei Wochen habe ich fleißig getragen, das Kind schlief fleißig dabei. Alle waren neidisch auf mein ruhiges Kind, ich fühlte mich sagenhaft perfekt.
Wider erwarten nahm der kleine Zwerg nun unverhältnismäßig schnell an Gewicht zu. Im ersten Monat schon mal doppelt so viel wie alle anderen. Meine Muskeln kamen nicht hinterher, trotzdem ich mich muttermäßig anstrengte. Zusätzlich zu meinen körperlichen Beschwerden kamen, im Zuge der Ausübung der Tragetätigkeit in Kombination mit pränatalen Großelternbesuchen, noch mentale Belastungen hinzu. Kritische Uromas können hartnäckig darauf bestehen, dass man das Kind schön in das bisher jungfräuliche Kinderbett legt, viel zu dick verpackt und dann mal ne Runde schreien lässt, bis es sich in den Schlaf gebrüllt hat. Ich lehnte jedoch ebenso hartnäckig ab und schmetterte sämtliche „mir hom drei großgezogen…“ mit „Ja, vor 50 Jahren“ ab. Kam mir gleichzeitig respektlos und unheimlich muttertiermäßig vor. Ein Gefühl, welches sich im laufe der folgenden Monate tief, tief in meine Mutterseele brennen wird. Inzwischen schmettere ich hochprofessionell ab.
Zurück zum Tragethema. Nachdem der kleine Brocken die 7,8 Kg geknackt hatte, konnte ich nicht mehr, jedenfalls nicht Tragetuch. Ich habe nun einen wenig urinstinktiven Babycarrier, welcher mit unästhetischen Schnallen befestigt wird, für deren Anbringung man keinen Applaus erntet. Was man nicht tut für einen intakten Rücken….

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