Your bag is by the police!

Sonntag Abend saß ich zu Hause und erwartete die Polizei. Ein Streifenwagen sollte kommen. Vorausgegangen war eine kurze Episode, die mich mit der Frage zurückgelassen hatte, wer denn bei solch komplizierten Vorgängen noch Interesse an aktiv gelebter Zivilcourage u.ä. haben sollte.

Zuvor sah es folgendermaßen aus: Ich kam nach Hause und sah bei mir im Hausdurchgang, dass dort eine Freitag-Tasche und ein blaues Holzfällerhemd lagen. Instinktiv und wie vermutlich so manch anderer habe ich diesen Haufen erst mal liegen gelassen, hätte ja auch sein können, dass dieser von jemandem nur kurz abgelegt wurde. Später wollte ich mich dann für nur ein paar Minuten, oder sagen wir eine halbe Stunde, an der Sonne auf dem Wasserturm erfreuen und ein wenig Relektüre von Knut Hamsuns „Hunger“ betreiben. Ein ziemlich gutes Buch, dass bei meinem ersten Durchgang vor einigen Jahren ein konstantes Titel-Gefühl bei mir hervorrief und irgendwie eigentlich mehr eine Empfehlung für einen kalten und hungrigen Winter ist. Meine Flucht aus dem Hause und in die Sonne war dabei nicht nur einem verzweifelten Versuch geschuldet, für den Sommer schon ein wenig vorgebräunt zu sein, um dann nicht komplett zu verbrennen, wenn man mal den ersten Tag etwas länger in die kräftigere Sonne tritt. Auch das Frühlingsfest der Volksmusik des Ayurvedischen Zentrums im Nachbarhinterhof mit Zitherspiel und Probe-Lach-Yoga-Seminar trug seinen Teil dazu bei.

Nun ist es aber bei weitem nicht so, dass man in der Öffentlichkeit ungestörter ist als in den eigenen vollgelachten vier Wänden. Und so dauerte es dann auch nicht lang bis zwei seltsame Gestalten am Horizont auftauchten, um mir den Sonntag ein wenig mit ihrem Gefasel zu versüßen. Der Eine trug sein lockiges Haar per blauer Vollplasteschirmmütze an den Kopf geklatscht und dazu passend eine dieser großen Sonnenbrillen, während sein Kompagnon gerade frisch gekürter Sieger der Berliner Meisterschaften im Paul Potts Look-a-like-Contest der Filmstudentenbrillenträger geworden zu sein schien. Und so legte der Klatschhaarige los und erzählte seinem im Gespräch auf Ja’s reduziertem Gegenüber davon, dass er und seine Band ja eigentlich keine Vertriebsdeals mehr machen wollten, da dabei ja kaum was rumkäme und sie überhaupt dann auch eher Musik für die älteren Semester machen würden. Die Jugendlichen gingen ja eher so zu Emo-Veranstaltungen oder auch mal Indie, aber sie würden ja so soliden Rock machen. Ich gehe davon aus, dass sie sich dann sicher noch auf das ein oder andere committen konnten, um deals zu machen wo sie ihre forces joinen können…

Da haste dann die Brille auf und eh man sich’s versieht auch wieder die Schuhe an den Füßen und diese auf der Treppe, die in Richtung der einfachen Lacher führt.

Und um die Polizeianekdote noch zu einem Ende zu führen: Bei erneutem Eintritt in den Hausdurchgang lag das Paket noch unverändert da und da kam bei mir die Frage auf, wer denn der Besitzer dieses vermutlichen Häufchens Diebesgut sein mag und oh Wunder, es waren sogar Briefe von simyo und der Sparkasse aufgerissen dabei. Und wer trägt im Berliner Frühsommer ein blaues wollenes Karoholzfällerhemd wenn nicht ein Japaner aus der Memhardstraße? Den vermeintlichen Polizeibeamten vor der gegenüberliegenden Synagoge über meinen Fund informierend wurde ich mit neuem Wissen versorgt. Die grünen Menschen vor dem jüdischen Glaubenshaus sind keineswegs Beamte, sondern lediglich Angestellte und wenn man so einen Fund tätigt, dann ist man verpflichtet eine gewisse Telefonnummer der Berliner Polizei anzurufen, seine Angaben zu machen und auf den nächsten Streifenwagen zu warten. Das erschien mir dann doch wenig verhältnismäßig. Zumal ich ja dachte, dem guten Menschen dort einen Gefallen zu tun, indem ich ein wenig Action in den sonst so drögen Alltag des Beine-in-den-Bauch-Stehens bringe. Und auch wenn er mich darauf hinwies, dass ich das jetzt aber auch durchziehen müsse, da ich das ja gemeldet habe (bei wem eigentlich, wenn er gar kein richtiger Polizist ist?) ließ ich ihn stehen und zog ab. Aber nicht, um jetzt supercool das Ende meiner gutherzigen Pioniertätigkeiten bekannt zu geben, sondern um mir den Kopf von meinem Vater diesbezüglich waschen zu lassen und dann kleinlaut die Nummer aus dem Internet zu suchen, die mir der Angestellte vor der Synagoge schon reichen wollte, die ich ihm dann aber wieder zurückreichte.

Und das Ende der Geschichte: Zwanzig Minuten später standen ein Mann und eine Frau vor meiner Wohnungstür, für die es wieder typisch war, dass ich ja unbedingt im dritten Stock wohnen müsse und sie da hocheiern sollten (der gute alte Murphy!). Nach kurzem Gespräch fand der Eine eine Telefonnummer und reichte dann für die „englische“ Gesprächsführung mit dem Japaner (der ein ähnliches Talent für diese Fremdsprache aufzubringen schien) am anderen Ende des Rohres an seine Kollegin weiter. Und was dann geschah spottet jeder Beschreibung. German Police’s English Skills. Wenn man am Ende des Studiums also so gar keine Ahnung hat, was man machen soll, dann vielleicht mal an den Innensenator wenden und in einer PowerPoint-Präsentation darlegen, warum man durchaus Potenzial im „international conflict and problem handling/solving“ bei den Berliner Polizeibeamten sehe.

Veröffentlicht von konrad.

Eighty percent of success is showing up.

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