Noch so ein Abend wie dieser

Dies hier könnte auch "Anleitung zum Freunde finden" heißen.

Weil die Dummheit des Menschen schier grenzenlos ist, war auch mir ein solcher Abend beschert. Zwar in Anwesenheit des Herren vom vorigen Eintrag, so dass ich mich hier nicht weiter um Verfluchungen der Abwesenden scheren muss, aber doch schmerzhaft.
In feinfühliger Analyse der Physiognomie und der Betrachtung der bestellten Getränke geübt erkannten wir in der Frau die unseren Abend, vor allem aber den meinigen, machen sollte den Typus Grundschulpädagogin. Ihre ganze Identität wurde uns später zugetragen und soll deshalb auch erst dann folgen. Diese verbrachte nun also ihren Samstagabend, wie das üblicherweise so ist, bei Kerzenschein und zwei gleichzeitig georderten Gläsern des billigsten Kaufland-Weißweins in der urigen Eckspelunke, nur darauf wartend in den obligatorischen Pausen, die der Entleerung ihrer Blase dienten, ein Opfer auf der Damentoilette aufzuspüren und in Gespräche unter dem Deckmantel des alkoholgeschwängerten Tiefsinn zu verstricken. Es begab sich aber nun so, dass an just diesem Abend ein Fussballspiel in eben jenem Etablissement gezeigt wurde, was natürlich der Satan für jeden Einzelkämpfer ist, der schon einmal über zwei Semester hinweg auch die in der Philosophie nicht besuchten Veranstaltungen auf seine Studienbuchseite geschrieben hat. Doch man ist ja nicht wie all die Maurer, Maler und Handkreissägenverleiher um einen herum und weiß sich also zu helfen. Unser Kloopfer muss also her und den Erörterungen über präantike Genderkonzepte in Ovids Metamorphosen lauschen. Alle, die Ovid nicht für dieses Kakaogetränk halten, wissen denn auch, dass man die größte Wirkung beim Zuhörer erzielt, wenn man mitten im Vortrag häufiger aufsteht, nur um sich gleich darauf wieder den Nebensatz vollendend niederzulassen. Die ganz Versierten schaffen es dabei in Piroutten um den Tisch und die Zuhörerschaft zu tanzen, was den angenehmen Nebeneffekt hat, eine breite Öffentlichkeitswirkung zu erzielen und den Kleingeistigen einmal aus seiner Fussballlethargie zu reißen. Da ich nun aber, und mit mir alle am Tisch, weiterhin so stumpfsinnig war und das Spiel gern mit Bild sehen wollte, entflammte ich ein neues Feuer in ihrer Brust. Auf meine Frage hin, ob es ihr etwas ausmache sich zum weiteren Diskutieren wieder hinzusetzen gab sie mir folgerichtig zurück, um Fussball zu schauen, müsste ich ja eigentlich nach Hause gehen. Das erschien mir logisch und so setze ich mich wieder in ihren Rücken. Doch sie gab mich noch nicht verloren und setzte sich auch, zu mir. Von meinem Maurerherzen geleitet gab ich ihr im Anschluss an ihren Versuch, mir darzulegen wie primitiv die Verfolgung einer Sportliveübertragung sei zu bedenken, dass ich schwachsinnige Gespräche auch ziemlich gut bei mir zu Haus und mit mir allein führen könne. Daraufhin erörterten wir beide wechselseitig, ob man sich vom jeweiligen Gegenüber jetzt beeindruckt oder gefährdet sehen müsse und als wir dies verneinen konnten stand sie auf, sie wollte ja eh gerade an einen anderen Tisch gehen (ein Prozess der durchaus zehnminütiges Auf und Ab rechtfertigt). Nachdem sie sich dann auch wieder erfolgreich eingenordet hatte gab sie mir noch den Kant’schen Nierenhaken "Fussball, ja…!" (vorgetragen mit Verzweiflung und Abscheu) mit. Ich sank beinahe unter den Tisch, doch konnte ich so das Spiel sehen.

Sie ist übrigens keine Grundschulpädagogin, hat aber wohl Philosophie und … oh Gott mein Gedächtnis … studiert, ist alkoholkrank und so ich mich recht entsinne gerade von ihrem Mann verlassen worden, was ja jetzt schon wieder zu Kommentaren verleiten könnte, aber für heute belassen wir es dabei und suchen im ICD10-Katalog den Bereich mit Störungen der sozialen Kompetenz durch.

Veröffentlicht von konrad.

Eighty percent of success is showing up.

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