Krokodilstränen

“Wer jetzt noch nicht tot ist, ist selber schuld. Bomben sind genung gefallen!“

Leider ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen den Uhrheber, dieses doch so überzeugenden Zitates zu ermitteln, auch wenn mein Großvater der Überzeugung ist, es sein vom guten Churchill in die Welt hinausposaunt worden. Zuordnen konnte ich es ihm bis jetzt aber noch nicht. Tag 1 der zumeist friedlichen Proteste gegen den G8 Gipfel ist vorbei, doch der Rauch hat sich noch lange nicht verzogen. Letzte Woche wurde man in der Hauptstadt geradezu bombardiert mit Flyern und Broschüren der verschiedenen Protestorganisatoren. Ich nenne da mal die Antifa, attac und auch die linke. hat sich mächtig ins Zeug gelegt und alle Designregister gezogen, um zumindest optisch zu „überzeugen“. Inhaltlich hingegen, bleiben alle Drei doch ein gewisses Maß an Sachlichkeit schuldig. Ganz vorn soll hier die Antifa genannt werden. Ein ganzer Schwall Seiten im A5 Format, auf fein glänzenden Papier im Ökoholzlook. So weit so chic, doch die gedruckten Texte überzeugen selbst mich als Befürworter der Demonstrationen nicht. Eher beschleicht einen das Gefühl, eine Schülerzeitung in der Hand zu halten. Es wird Ungerechtigkeit, Ausbeute und Profitgier proklamiert. Dennoch, haben die verschiedenen Gruppierungen einem Punkt ganz sicher Recht. Die Gleichsetzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und Demonstration, mit Terrorismus durch einige wenige Volksvertreter und Medien ist inakzeptabel. Das sie Konsequenz daraus aber die plakative Verurteilung der Staatsmacht und hier besonders der Polizei zu Verbrechern ist keineswegs besser. Mit dem Tenor mit dem selbst seriöse Gruppen zum Kampf gegen G8, Globalisierung und Polizeistaat aufrufen, mobilisiert aber grade auch die gewaltbereiten Kräfte, von denen man sich immer so heftig distanziert. Leider bedienen sich alle Seiten der selben, zumeist oberflächlichen Berichterstattung. Das eigentliche Thema der Poteste, gerät schon nach den ersten Tagen gänzlich in den Hintergrund und der Fokus liegt schon jetzt fast ausschließlich auf den gewaltäigen Auseinadersetzung zwischen schwarzen Block und Polizei. Die Tatsache das die Polizei nicht nur für die körperliche Unversehrtheit der Mächtigen 8, sondern genauso für die Sicherheit der Demonstranten verantwortlich ist, fällt im Zuge der teils kontroversen Diskussion, gänzlich unter den Tisch. Ich würde mir wünschen das viel mehr Menschen ihren Unmut über die unbestreitbare weltweite Ungerechtigkeit in der Verteilung der Macht und Ressourcen, die kapitale Verharmlosung der Folgen des Klimawandels, die Missachtung der Grund- und Menschenrechte, die Einschränkung der Meinungsfreiheit, die Beschneidung der freien Berichterstattung und die Aushebelung der Persönlichkeitsrechte durch die zunehmende Überwachung in allen Lebensbereichen, besonders der Privatsphäre zum Ausdruck bringen würden. Jedoch verkommt diese seltene Chance zum breiten Protest, zunehmend zur breiten Antibewegung, deren einzige Botschaft ist : „DAGEGEN!“
Wo wollen wir hin? Wer redet über die Konsequenzen, der vielen Forderungen? Wo bleibt eine objektive Auseinandersetzung mit der Gesamtthematik. Hier ist die Politik gefragt, auch über Ziele und Möglichkeiten auf zu klären und das nicht nur trockene und anonyme Pressekonferenzen abzuhalten. Das auch der reiche Westen abhängig ist von Entwicklungs- und Schwellenländern und gerade dort die größten Märkte in Zukunft zu finden sein werden, stellt eine nicht völlig neue Entwicklung dar. Das aber die Politik diese Märkte mit vielen Mitteln zugänglich macht, die Industrie hier Raubbau betreibt, um dort nahezu unkippbare Monopole auf zu bauen, ist Fatal. Die Überschwemmung der Entwicklungsmärkte mit hochsubventionierten Produkten aus Europa und USA, entzieht den Entwicklungsländern jegliche Grundlage, für eine eigenständige Wirtschaft. Der Einfluss der westlichen Wirtschaft in den jungen Volksdemokratien ist unhaltbar und entzieht sich jeglicher wirksamen Kontrolle, deren Folgen unabsehbar sind. Die weltweite Verflechtung von Industrie, Wirtschaft und Politik und deren Interessen sind schon lange nicht mehr Durchschaubar. Die Sorge ist, das Gipfel und Demoziele sich gegeneinander aufreiben und im Zuge der viel zu hitzigen Debatte einfach verdampfen. Nicht jeder der kritisch Missstände im Prozess der Globalisierung benennt, muss damit automatisch G8 Gegner sein. Selbst die Gipfelteilnehmer, sprechen mittlerweile offen über, zumindest Versäumnisse.

„Lieber Staat – ich fühle mich so rundum wohl in Dir,
Lieber Staat – es weht ein Wind von Freiheit hier,
Du erklärst mir immer wieder was erlaubt ist und was nicht,
Lenkst mein Leben jeden Tag,
Und bist furchtbar fürsorglich,
Ach was wär ich ohne Dich?

Danke das Du mich regierst,
Danke das Du mich regierst,
Und das Du mich nicht ignorierst!“

aus Lieber Staat by Farin Urlaub

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2 Kommentare

  1. Es ist verrückt, dass man dieses Zitat wirklich nirgendwo findet.
    Eine Idee ist mir aber noch gekommen: Was ist, wenn das Zitat von deinem Opa stammt, und er es nur Churchill in die Schuhe schieben will?

  2. Das würde ich dem glatt zutrauen, dem alten Drückeberger!

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