Fremdschämen #02

Ludwigsburg, 25.08.2007 – Das Dorf Ludwigsburg in der Nähe meiner Heimatstadt Greifswald und noch viel näher an Loissin und dem ehemaligen AKW Lubmin feierte 800-jähriges Bestehen. Wie jedes Jahr, so sagte man mir, gibt es in dem Örtchen ein Sommerfest, dieses Jahr nun ein umso größeres.

Auf dem Dorfanger waren Bühne und Zelte aufgebaut und der Filterkaffee schwappte nur so vor Freude aus den viel zu kleinen aber dafür fröhlich bis zum Rand hoch gefüllten Becherchen. Eine Volkstanzgruppe präsentierte unterschiedlich schwierige Tänze aus den letzten drei Jahrtausenden und schraubte sich in seinen Leistungen bis hoch zum gefürchteten „Wolgaster„, bei dem immer zwei Mann und den Armen zweier anderer hindurchtanzen mussten. Das ist Provinz, das ist hart zu ertragen, sorgt aber vielleicht noch für eine gewisse Belustigung.

Die eigentliche Reifeprüfung der Widerstandsfähigkeit war aber die groß angekündigte Modenschau. Nun, was darf man sich darunter vorstellen? Der Städter mag im ersten Moment an wenig inspirierte Kleidungsstücke aus Altpapier und Cola-Dosen aus der Zeit vor der Pfandeinführung denken, doch weit gefehlt. Im Norden lebt das Center und kein Center, das sich Center nennen darf ohne einen centereigenen Adler-Modemarkt. Und man ahnt es schon, genau dieser führte die Modenschau durch. Talentfreie Modelle, die interessanterweise trotz Grünschnäbligkeit alle schon „alte Hasen auf dem Laufsteg“ waren, wie die Abteilungsleiterin von Adler nicht müde wurde zu erwähnen. Und so durften sich all die Kevins, Mikes, Chantalles und Veronikas selbst Outfits zusammenstellen und zeigen, dass sie schon immer die schönsten auf dem Acker waren. Dazu wurde intonationsfrei und fern von Begeisterung ein Text runtergespult, der immer wieder die Dauerhaftigkeit und den enormen Tragekomfort von zeitlosen Baumwollstrickereien lobte.
Und am Rande waren diejenigen, die nicht schon seit halb neun Uhr morgens Rum in den Tee rührten damit beschäftigt, die Zehennägel verzweifelt zusammen mit dem ganzen Fuß abzunagen, die sich mit jedem weiteren präsentierten Dress schmerzlich nach oben rollten.

Veröffentlicht von konrad.

Eighty percent of success is showing up.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.